
Vermeidung von S-R-S Unfällen - Vorschriften und Regeln für Hochbau und Tiefbau
Vorschriften und rechtliche Grundlagen für den Schutz vor S-R-S Unfällen (Unfälle durch Stürzen, Rutschen, Stolpern)
1. Hochbau - Unfallprävention
Im Hochbau ist die Vermeidung von Unfällen durch Rutschen, Stolpern und Stürzen (SRS-Unfällen) von entscheidender Bedeutung, da diese zu den häufigsten Unfallursachen auf Baustellen gehören. Anders als in festen Arbeitsstätten gelten hier besondere Regeln, da die Arbeitsumgebung dynamisch ist und sich ständig ändert.
Vorschriften und rechtliche Grundlagen
Die rechtlichen Grundlagen für die Prävention von SRS-Unfällen im Hochbau sind in Deutschland klar geregelt und für alle Baubeteiligten verpflichtend.
- Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Das übergeordnete Gesetz, das die allgemeine Pflicht des Arbeitgebers zur Gefährdungsbeurteilung festlegt. Jeder, der auf einer Baustelle eine Tätigkeit ausführt, muss die potenziellen Gefahren systematisch bewerten.
- Baustellenverordnung (BaustellV): Diese Verordnung gilt speziell für Baustellen und legt die Pflichten des Bauherrn und der Koordinatoren fest. Sie verlangt die Erstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans (SiGe-Plan), der auch Maßnahmen zur Vermeidung von Stolper-, Rutsch- und Sturzgefahren enthalten muss.
- DGUV Vorschrift 38 (Bauarbeiten): Die Regel der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) für Bauarbeiten. Sie schreibt detaillierte Sicherheitsmaßnahmen vor, die bei der Ausführung von Bauarbeiten zu beachten sind, einschließlich der sicheren Gestaltung von Verkehrswegen.
- DGUV Regel 101-016 (Branche Bau): Konkretisiert die Vorschriften und gibt Praxishinweise, wie die Gefahren am Bau zu beurteilen und zu minimieren sind.
Wichtige Regelungen und Präventionsmaßnahmen
Die Prävention von SRS-Unfällen im Hochbau folgt einem klaren Prinzip: Gefahren müssen an der Quelle bekämpft und technische Maßnahmen priorisiert werden.
Gefährdungsbeurteilung: Jede Baufirma muss vor Beginn der Arbeiten die Gefahren beurteilen. Dazu gehören die Identifizierung von Stolperstellen, die Analyse von Bodenzuständen und die Planung von Verkehrswegen.
Sichere Verkehrswege:
- Freihalten: Verkehrswege, Laufstege und Treppen müssen frei von Schutt, Baumaterialien und Werkzeugen gehalten werden.
- Rutschhemmung: Oberflächen, die durch Witterungseinflüsse (Regen, Schnee, Eis) oder Baumaterialien (Beton, Sand, Schlamm) rutschig werden können, müssen gesichert werden. Hierfür können rutschhemmende Matten oder spezielle Beschichtungen eingesetzt werden.
- Ordnung: Kabel und Schläuche müssen so verlegt werden, dass sie keine Stolperfallen darstellen.
Umgang mit Nässe und Schmutz:
- Arbeiten bei Regen, Frost oder Tauwetter erfordern besondere Vorsicht.
- Nasse oder schmutzige Flächen, wie beispielsweise beim Betonieren oder Verputzen, müssen regelmäßig gereinigt oder mit rutschhemmenden Materialien gesichert werden.
Persönliche Schutzausrüstung (PSA):
Die DGUV schreibt vor, dass in Bereichen mit Rutschgefahr rutschhemmendes Schuhwerk getragen werden muss. Dies ist eine der wichtigsten individuellen Maßnahmen.
Konkrete Anwendungsfälle im Hochbau
Die genannten Regeln müssen bei folgenden Arbeiten besonders beachtet werden:
- Gerüstbau: Die Gerüstbeläge und Aufstiege müssen eine ausreichende Rutschhemmung aufweisen.
- Dacharbeiten: Bei Arbeiten auf Dächern, insbesondere bei Nässe, sind spezielle rutschhemmende Beläge oder Laufstege erforderlich.
- Rohbau: Die frisch betonierten oder verschmutzten Bodenplatten, Treppen und Rampen müssen gesichert werden.
- Innenausbau: Bei Fliesen- und Bodenverlegungen, Maler- und Putzarbeiten müssen Arbeitswege frei von rutschigen Substanzen und Stolperfallen gehalten werden.
- Materiallagerung: Bereiche, in denen Materialien gelagert oder bearbeitet werden, müssen sauber und sicher sein, um Unfälle beim Transport zu vermeiden.
Die Einhaltung dieser Vorschriften ist nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern eine grundlegende Verantwortung, um das Leben und die Gesundheit der Bauarbeiter zu schützen.
2. Tiefbau - Unfallprävention

Für den Tiefbau gelten über die allgemeinen Arbeitsschutzgesetze hinaus spezielle Regeln und Vorschriften, die den einzigartigen Gefahren dieser Arbeitsumgebung Rechnung tragen. Während der Hochbau sich primär mit Gefahren in der Höhe und dem Gebäudebau beschäftigt, liegt der Fokus im Tiefbau auf den Risiken, die vom Erdreich, von Gräben und von unterirdischen Anlagen ausgehen.
Spezielle Regelungen für den Tiefbau
Die Basis bilden die allgemeinen Gesetze, die jedoch durch spezifische DGUV-Vorschriften und Regeln konkretisiert werden.
- DGUV Vorschrift 38 "Bauarbeiten": Dies ist das zentrale Regelwerk für alle Bauarbeiten. Es enthält jedoch spezielle Abschnitte für Tiefbauarbeiten, wie z. B. zu Baugruben und Gräben.
- DGUV Regel 101-020 "Arbeiten im Bereich von Gasleitungen": Eine hochspezialisierte Regelung, die die Gefahren bei Erdarbeiten in der Nähe von Gasleitungen behandelt.
- Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR) und Baustellenverordnung (BaustellV): Die Prinzipien aus diesen Regelwerken gelten auch im Tiefbau, müssen aber auf die wechselnden Gegebenheiten einer Baustelle angepasst werden.
Konkrete Anwendungsfälle und zu beachtende Regeln
Die Regelungen im Tiefbau sind strenger, weil die Gefahren oft unvorhersehbar sind (z. B. Einbruch von Grabenwänden, Gasaustritt).
1. Graben- und Erdarbeiten
Dies ist das Kerngeschäft des Tiefbaus und birgt die größten Risiken.
- Verbau und Böschung: Nach DGUV Vorschrift 38 müssen Wände von Baugruben und Gräben ab einer Tiefe von 1,25 m zwingend verbaut oder geböscht werden, um einen Einsturz zu verhindern. In den meisten Fällen werden die Regelungen der DIN 4124 "Baugruben und Gräben" angewendet.
- Sichere Zugänge: Es müssen sichere und trittsichere Zugänge zu den Gräben vorhanden sein, wie z. B. Leitern, die mindestens 1 m über dem Grabenrand hinausragen.
- Arbeitswege: Die Ränder von Gräben müssen frei von Material und Geräten sein, um zu verhindern, dass etwas in den Graben stürzt und Arbeiter gefährdet.
2. Rohrleitungs- und Kanalbau
Arbeiten in Kanälen und Rohren bergen die Gefahr des Erstickens durch Gase, Infektionen oder Ertrinkens.
- Sicherheitsmaßnahmen: Vor dem Einstieg in geschlossene Räume muss zwingend die Atmosphäre auf gefährliche Gase gemessen werden.
- Ausrüstung: Es muss eine geeignete Ausrüstung wie Atemschutzgeräte und Gaswarngeräte vorhanden sein.
- Sicherungsposten: Während der Arbeiten muss immer eine Person außerhalb des Kanalbereichs als Sicherungsposten anwesend sein, die ständigen Kontakt zu den Arbeitern hält und im Notfall Hilfe rufen kann.
3. Verkehrswege und Baustraßen
Im Gegensatz zum Hochbau, der meist auf ebenem Untergrund stattfindet, sind die Verkehrswege im Tiefbau oft temporäre Schotterstraßen, die rutschig oder uneben sein können.
- Befestigung: Baustraßen und Wege müssen ausreichend tragfähig und so angelegt sein, dass sie nicht überlastet werden können und die Gefahr des Abrutschens minimiert wird.
- Entwässerung: Es muss sichergestellt werden, dass Regenwasser effektiv abfließen kann, damit sich keine Schlammflächen bilden, die die Rutschgefahr erhöhen.
- Trennung der Wege: Fußgängerwege müssen, wenn möglich, von Fahrwegen für Maschinen und LKWs getrennt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die allgemeinen Regeln des Arbeitsschutzes im Tiefbau durch ein sehr detailliertes Geflecht von Vorschriften und Regeln ergänzt werden, die speziell auf die Gefahren von Erdarbeiten und dem Bau von unterirdischen Anlagen zugeschnitten sind.